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Die berühmte Skyline von Hongkong entlang des Victoria Harbour. Foto: Shutterstock.
Allein essen: Ein Albtraum für Extrovertierte und ein Vergnügen für Introvertierte. Aber ob Sie es lieben oder nicht, allein zu speisen kann bedrückend sein, wenn man fast 8.000 Meilen von zu Hause entfernt ist. Eine neue Umgebung kann leicht überfordern: Eine fremde Sprache dringt in Ihr ungeübtes Ohr und Sie verstehen die Speisekarte mit einer Übersetzungs-App gerade so eben. Sie haben etwa drei Minuten lang geübt, um eine holprige Bestellung beim Kellner aufzugeben. Und dann kommt möglicherweise noch ein leichtes Gefühl von Einsamkeit hinzu, wenn Sie allein essen.
Zum Glück ist man in Hongkong selten wirklich allein. Auf meiner Solo-Reise machte ich in den belebten, pulsierenden Straßen der Stadt dank der kantonesischen Tradition des gemeinschaftlichen Essens eine einzigartige gastronomische Erfahrung, wie ich sie zuvor noch nie erlebt hatte.
Mein Hauptziel in Hongkong war recht simpel: Essen. Ich war schon immer fasziniert von der kulinarischen Szene der Stadt, und nach Jahren der Vorfreude konnte ich sie endlich selbst erleben.
Leider begann meine Reise ziemlich holprig. Probleme mit meiner Kreditkarte führten dazu, dass ich eine zusätzliche Stunde am Flughafen verbringen musste. Auf der Suche nach dem richtigen Bus schleppte ich meinen Koffer durch die Gegend – ein echtes Workout. Als ich endlich im Zentrum von Tsim Sha Tsui ankam, stand ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Ich brauchte etwas, um mich zu beruhigen, und zwar schnell. Und das konnte nur eins sein: gutes Essen.
Das gemeinsame Essen mit Fremden ist Teil der lebendigen Esskultur Hongkongs.
Die Kellner und Kellnerinnen haben es stets eilig und sind kurz angebunden. Dies liegt daran, dass es bei ihrer Arbeit vor allem auf Effizienz ankommt.
Hongkong ist eine der am dichtesten besiedelten Städte der Welt. Die Menschen sind immer in Eile und jagen von einem Ort zum anderen. Die Stadt lässt kaum Raum zum Entspannen, sodass auch niemand lange auf eine Mahlzeit wartet. Wenn also ein Restaurant voll ist und sich draußen eine lange Schlange bildet, werden Kunden oft mit Fremden an einen Tisch gesetzt.
Das fand ich anfangs ziemlich schockierend. Die Vorstellung, mit einer Gruppe Fremder zu essen, war völlig ungewohnt. Doch das gemeinschaftliche Essen ist tief in der chinesischen und kantonesischen Kultur verwurzelt. Viele, die diese Tradition pflegen, glauben, dass gemeinsames Speisen das Gefühl der Zusammengehörigkeit stärkt. Man kann sogar oft anhand der Tischetikette erkennen, woher jemand stammt. Und obwohl ich meine Mahlzeit mit niemandem geteilt habe, spürte ich beim gemeinsamen Essen mit anderen eine tiefere Verbindung mit der Kultur und den Menschen um mich herum.
Yat Lok ist ein Michelin-Sternerestaurant, das für seine köstliche gebratene Gans und seine Grillgerichte gerühmt wird. Als ich dort ankam, war viel los: Gäste speisten und Köche gingen eifrig ihrer Arbeit nach. Das Essen wurde im Eiltempo serviert und eine Schlange von etwa 30 Leuten erstreckte sich bis zur Tür. In den USA hätten sich die meisten wohl umgedreht und wären gegangen. Aber hier ging es schnell voran – nicht zuletzt deshalb, weil sich die Gäste ihre Tische teilten.
Bevor ich mich versah, stand ich bereits an der Spitze der Schlange und konnte einen Blick darauf erhaschen, was mich erwartete. Ich bekam sogar noch eher einen Platz als das Paar vor mir (in Hongkong ist es oft einfacher, eine zusätzliche Person an einem Tisch unterzubringen als mehrere). Ich teilte mir den Tisch mit einem Paar und einem anderen Alleinreisenden. Wir alle durchblätterten in uns gekehrt die Speisekarte, aber als das Essen kam, wechselte die Atmosphäre unverzüglich. Drei Teller mit gebratener Gans landeten auf dem Tisch, und wie ein Team von Synchronschwimmern stürzten wir uns darauf. Nach nur einem Bissen wurde mir klar, warum das Yat Lok bereits seit Jahren einen Michelin-Stern trägt.
Da in Hongkonger Restaurants immer lebhafter Betrieb herrscht, ist es am einfachsten, eines der Signature-Gerichte zu bestellen.
Es ist völlig normal, das Restaurant zu verlassen, sobald Sie mit der Mahlzeit fertig sind. Länger sitzen zu bleiben, ist unüblich.
Das nächste gemeinschaftliche Esserlebnis hatte ich im Kam Wah, wo klassische Hongkonger Backkunst auf Cha Chaan Teng trifft. Cha Chaan Tengs sind lokale Restaurants, die eine Verschmelzung der Hongkonger Küche mit westlichen Einflüssen bieten. Einheimische kommen hier oft für ein schnelles Frühstück oder Mittagessen vorbei. Im Kam Wah war sowohl der Innen- als auch der Außenbereich voller Gäste, aber man wies mir sofort einen Tisch zu, an dem sich bereits zwei japanische Touristen befanden.
Wir bestellten ähnliche Gerichte: Hongkonger French Toast und warme Ananasbrötchen. Als das Essen kam, waren wir alle etwas verwundert, aber neugierig. Wir starrten in einen Behälter mit einer dicken, goldenen Substanz. Sie hatte den Geschmack von Sirup, aber die zähflüssige Konsistenz von Honig. Trotz der Sprachbarriere kommunizierten wir miteinander und teilten einen kurzen Blick der Verwirrung, gefolgt von Gelächter.
In vollen Lokalen ist es üblich, sich einen Tisch zu teilen. Dies gehört hier zum gemeinschaftlichen Esserlebniss einfach dazu.
Überlegen Sie nicht lange – hier herrscht stets viel Betrieb.
Mein Solo-Essabenteuer endete mit einer wohltuenden Schale Congee, einem herzhaften Reis-Porridge, im Mui Kee, einem familiengeführten Restaurant im Fa Yuen Street Market. Das Restaurant besteht schon seit über 40 Jahren und es ist bekannt für sein Congee nach einem Rezept, das bereits seit drei Generationen überliefert wird. Im Mui Kee teilte ich beim Frühstück den Tisch mit einem älteren Ehepaar und einem älteren Herrn, der ebenfalls allein speiste. Die drei unterhielten sich auf Kantonesisch wie alte Freunde. Als ich ihnen beim Essen zusah, erinnerten sie mich an meine Eltern, was der wohltuenden Schale Congee gleich noch mehr Wärme verlieh.
Probieren Sie lokale Gerichte wie Congee, um in die Esskultur Hongkongs einzutauchen.
Beobachten Sie die Leute um sich herum und beginnen Sie Gespräche mit ihnen. Dadurch wird Ihre Reise zu etwas Besonderem.
Ich bin es gewohnt, allein zu essen und dabei andere Menschen zu beobachten. Aber in Hongkong isst man nie wirklich allein, sondern in ganz oft in Gesellschaft von Fremden – und das hilft Alleinreisenden, wirklich in die Kultur und Bräuche der Stadt einzutauchen. Die Einheimischen und andere Touristen aus der Ferne zu beobachten ist eine Sache, doch gemeinsam mit ihnen etwas so Persönliches wie eine Mahlzeit zu teilen, ist eine andere. Ich fühlte mich in der lebendigen Hongkonger Esskultur schnell heimisch.